Bild Waldgarten Britz

Fachtagung Urbane Waldgärten, 25.-28.09.2025 in Berlin

Kann ein Waldgarten in der Stadt funktionieren? Was bringt er da und wem? Macht es einen Unterschied, ob ein Waldgarten in der Stadt oder auf dem Land entsteht? Warum lohnt er sich in der Stadt vielleicht doppelt? Und welche Hürden gilt es zu überwinden, bis in der Innenstadt Quitten blühen, Himbeeren reifen und Walnüsse im Erntekorb klappern?

Das Projekt Urbane Waldgärten geht diesen und vielen weiteren Fragen nach. Und zwar nicht auf dem Papier, sondern anhand konkreter Modellprojekte. Drei urbane Waldgärten wurden in den letzten Jahren ins Leben gerufen und wissenschaftlich begleitet und untersucht. Funktioniert das Konzept in der Stadt? Leistet es, was es verspricht? Wer profitiert? Und was kostet der Spaß? Das Thema treibt auch mich um. Also fahre ich nach Berlin. Und auch wenn das nicht vollständig sein kann: hier kommen meine wichtigsten Erkenntnisse und Inspirationen. Für alle, die nicht dabei sein konnten, und die vielleicht auch über einen städtischen Waldgarten nachdenken.

Was ist ein urbaner Waldgarten?

In einem urbanen Waldgarten werden essbare Pflanzen auf mehreren Ebenen angebaut – von und für Bewohner*innen der Stadt. Die artenreiche Mischkultur erzeugt Obst, Nüsse und Beeren, Wild- und Gartenkräuter sowie Blattgemüse. Häufig steht ein Gemeinschaftsgedanke dahinter, der Garten soll für alle Menschen zugänglich sein, die Ernte wird geteilt, die Arbeit bestenfalls auch. Die Idee trägt verschiedene Namen, Waldgarten, Foodforest, Pflückwald, Fruchtwald, essbarer Wald oder Naschgarten. Auch Initiativen wie die Essbaren Stadt, Urban-Gardening oder Transition-Town verfolgen teilweise ähnliche Ideen. Beim urbanen Waldgarten – und darum ging es bei der Fachtagung – steht jedoch immer ein recht komplexes, mehrschichtiges System von Bäumen, Sträuchern, Kletterpflanzen und Krautschicht im Mittelpunkt. Also mehr als ein paar Apfelbäume im Park.

Warum überhaupt Waldgärten in der Stadt?

In der Stadt sind Flächen heiß umkämpft. Es braucht Wohnraum, Straßen und Radwege, Spielplätze, Schulen und Grünflächen, Supermärkte, Sportplätze und Parkflächen. Und jetzt auch noch Waldgärten? Die Hypothese des Forschungsprojekts Urbane Waldgärten: Waldgärten können auf kleinem Raum viele Bedürfnisse erfüllen. Erholung im Grünen, Bewegung an der frischen Luft, Selbstwirksamkeit und Community-Building, Umwelt- und Demokratiebildung, Klimaanpassung durch Kühlung und Versickerung, Erhöhung der Biodiversität und natürlich auch: Produktion von hochwertigen, leckeren Lebensmitteln. Superfoods aus der eigenen Stadt, aus dem eigenen Gemeinschaftsgarten, mit vielen Zusatznutzen. Damit schaffen Waldgärten vielleicht mehr, als manch andere Grünflächen. Sie könnten eine Antwort sein, auf die Flächenkonkurrenz im urbanen Raum. Auf überhitzte Straßenschluchten und Starkregen, aber auch auf fehlende Gärten in der Innenstadt.

Urbane Waldgärten als Gemeinschaftswerk – die kooperative Planung

Die drei Pilotprojekte wurden alle „von oben“ initiiert. Vom Umwelt- und Gartenamt Kassel und der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz in Berlin. Die zukünftigen Nutzer*innen sollten jedoch von Anfang an beteiligt werden. Deshalb gab es einen langen Beteiligungsprozess aus Online-Meetings (Corona), Vor-Ort-Workshops, Feedbackschleifen bei der Planung, Community-Building durch Workshops und gemeinsamen Pflanzaktionen. Ziel war es nicht nur, die Bedürfnisse der späteren Gärtner*innen aufzunehmen, sondern auch eine Gemeinschaft zu gründen, die den Waldgarten später betreibt. Das scheint zu gelingen, an manchen Standorten erfolgreicher als an anderen. Erkenntnisse, auch aus anderen Projekten, die das anders machen:

  • Beteiligung und Community-Building sind eine wichtige Basis für größere Projekte.
  • Die Gruppe muss zusammenwachsen, um sich auch über die spätere Pflege einig werden zu können.
  • Die Nachbarschaft muss engagiert eingeladen werden, auch wegen möglicher Bedenken.
  • Wenn Kinder und Jugendliche ernsthaft beteiligt werden, kann das später vor Vandalismus schützen.
  • Die Planung muss auch Kontrolle abgeben.
  • Bei der kollektiven Planung nicht über konkrete Dinge oder Pflanzen streiten, sondern um Nutzungswünsche und Qualitäten sprechen: Was wollen wir dort tun und erleben, wollen wir naschen oder Marmelade kochen, Heilkräuter anbauen oder Bienen beobachten?
  • Wenn die finale Planung (Welcher Weg wird wie breit, welche Pflanze kommt genau wo hin) von Expert*innen gemacht wird, ist das für die Gruppe auch entlastend.
  • Auch eine schrittweise Entwicklung des Geländes kann gut funktionieren.

Zielgruppen – ein Garten für alle?

Bei der Waldgartenkonferenz sind nicht „alle“ dabei, für die so ein Waldgarten da sein könnte. Der Bildungsstand ist eher hoch, wenn auch in unterschiedlichen Bereichen. Die Altersstruktur ist sehr gemischt. Aber Armut springt einem nicht ins Gesicht, auch wenn sicherlich einige Menschen in prekären Verhältnissen leben. Die meisten Teilnehmer*innen und Projektbeteiligten sind weiß. Erreichen urbane Waldgärten nur privilegierte Schichten? Ich frage nach den bishereigen Erfahrungen. Es heißt dann: Ja, vor allem im Planungsstadium kämen nicht alle Menschen, die erreicht werden sollten. Auch Sprachbarrieren sei da teilweise ein Problem. Die Erfahrung sei aber: Wenn die Gärten erst mal da sind, dann kommen auch Menschen mit unterschiedlicheren Hintergründen und Lebensrealitäten dazu. In Berlin Britz zeige sich das schon. Schön, wenn das so ist. Es ist vermutlich eine Frage, die beobachtet werden muss.

Umweltbildung im urbanen Waldgarten

Ein urbaner Waldgarten braucht vielleicht nicht unbedingt Umweltbildung. Deshalb hatte ich das Thema vor der Veranstaltung eher weniger auf dem Schirm. Aber was für ein Potential! Ein biodiverses, abwechslungsreiches Gelände, mit jeder Menge bekannter und unbekannter essbarer Pflanzen – was sich da alles erleben lässt! In Berlin Britz war das Freilandlabor Britz e.V. von Anfang an mit an Bord, es gibt einen Bereich für die Umweltbildung, eine Kooperationsschule, regelmäßige Veranstaltungen, Unterrichtsmaterial und ein Action-Bound zum Waldgarten. Wenn es möglich ist, im urbanen Waldgarten zum Beispiel Schulen und Kitas einzubinden, vergrößert sich die Wirkung des Projektes enorm. Hier können Kinder, Jugendliche und Eltern erreicht werden, Naturschutz, Umweltschutz, und Klimaschutz eine Basis finden, Ernährungsbildung, Sinneserfahrungen und Gruppenbildung stattfinden.

Aha-Effekte zur Planung eines urbanen Waldgartens

Es gibt tolle Bücher zur Waldgartenplanung, es gibt Planungsbüros, die sich darauf spezialisiert haben. Einige Tipps und Ideen sind mir aber auch von der Konferenz besonders im Gedächtnis geblieben.

  • Ein Waldgarten verändert sich sehr stark über die Zeit. In der Planung muss dieser zeitliche Verlauf betrachtet werden. Wie groß sind die gepflanzten Bäume nach fünf, nach fünfzehn, nach 25 Jahren? Welche Pflanzen bringen dann erst Ertrag und welche sind schon wieder verschwunden?
  • Der Pflegeaufwand muss zu jedem Zeitpunkt zum Projekt passen. Im ersten Jahr sind vielleicht viele junge Bäume und Sträucher zu gießen. Dann könnte es sinnvoll sein, in diesem Jahr nicht noch 5000 Stauden zu pflanzen, sondern erst mal zwei Jahre stark zu mulchen und die Krautschicht später zu ergänzen.
  • Die Pflanzungen sollten immer vielfältig sein, aus verschiedenen Gründen. Das Klima verändert sich, die Ernte sollte sich übers Jahr verteilen, Moden kommen und gehen und auch die Vorlieben der Gruppe können sich verändern. Wenn gerade alle total auf Aronia abfahren, heißt das nicht, dass es auch in 6 Jahren noch so sein wird.
  • Eine gute und schnelle Ernte ist wichtig, um die Menschen zu motivieren dran zu bleiben.
  • Am Anfang sind die Bäume klein, dann spricht nichts dagegen, dazwischen Kürbis, Zucchini oder Tomaten zu pflanzen. Das kann in den ersten Jahren die schnelle Ernte bringen, ohne allzu viel Arbeit zu machen.
  • Zur Pflanzplanung gehört auch die Schnittplanung. Eine Linde als Kopfbaum braucht weniger Platz, als wenn ich aufhöre, sie zu schneiden. Diese Schnittplanung muss aber dann auch realistisch und durchhaltbar sein.
  • Barrierefreie Wege können mit kleineren Pflegepfaden gemischt werden.
  • Bei größeren Gemeinschaftsprojekten sollte die Krautschicht eng gepflanzt werden und klar strukturiert sein, damit sie von Laien gut gepflegt werden kann und schnell zusammenwächst. Es muss nicht überall eine essbare Krautschicht geben, ein Teil kann auch mit Blühwiesen, Bodendeckern oder Mulch gelöst werden.
  • Es ist wichtig, dass die Früchte auch gut geerntet werden können. Unter einer Walnuss darf (spätestens nach 15 Jahren) keine Brombeerhecke mehr stehen. Pfirsichbäume in einem öffentlichen Nachgarten sollten ohne Leiter erreichbar sein.
  • Gemeinschaftsprojekte entwickeln sich, Phasen hoher Motivation wechseln sich oft mit Phasen geringerer Beteiligung ab. Es ist gut, wenn die Planung das hergibt, wenn pflegeintensive Bereiche sozusagen an- und ausgeschaltet werden können.
  • Viel Wissen und Ressourcen sind schon da – zum Beispiel Infoschilder für die verschiedenen essbaren Pflanzen. Infos gibt es (aktuell noch) beim Projekt Urbane Waldgärten.

Finanzierung urbaner Waldgärten

Manche Projekte arbeiten (fast) ohne Geld. Legen als erstes eine kleine Baumschule an, ziehen Gehölze aus Stecklingen, lassen sich Ableger schenken, verwerten Reste aus benachbarten Baustellen. Wer sich mit Pflanzen auskennt, kreativ ist, Netzwerke hat und Zeit, ist dann in anderen Dingen sehr frei. Kein Fördermittelantrag, keine Berichtspflichten, keine Fördermittelabrechnungen und so weiter.

Wenn es schneller gehen soll oder wenn Wege und Wasserleitungen gebaut werden müssen, ist Geld schon sehr hilfreich. Über die KfW-Förderung 444 sind urbane Waldgärten aktuell förderfähig, 80-90 Prozent der Kosten werden übernommen! Darüber lassen sich Planung, Beteiligungsverfahren, Umsetzung und mitunter auch eine Projektstelle fördern. Alternativ ist die Teilnahme an anderen Fördertöpfen möglich. Biodiversität, Demokratieförderung, Bildungsarbeit, Quartiersentwicklung, Ernährungsbildung, Wirtschafts- oder Tourismusförderung sind denkbar. Auch die Postcode-Lotterie, die Aktion Mensch, die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt und die Stiftung Anstiftung wurden genannt.

Bürgerinitiativen und Verwaltung – wie gelingt die Zusammenarbeit?

Das Spannende an der Fachtagung war, dass sie sich ebenso an Waldgartenaktive richtete, wie an Menschen aus der Verwaltung. Motivierte Stadtgärtner*innen trafen hier auf ebenso motivierte und auch auf skeptische Menschen aus der Verwaltung. Aktive aus der Planung, Permakultur und Umweltbildung kamen mit Gärtner*innen, Baumexpert*innen, engagierte Einzelpersonen und Mitgliedern von Vereinen zusammen. Es wurde sehr freundlich miteinander umgegangen. Aber es wurde auch klar: ganz einfach ist die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Initiativen selten. In der Regel aber unumgänglich. Hier ein paar Ausschnitte und Learnings:

  • Wer als Einzelperson oder Bürgerinitiative einen urbanen Waldgarten aufbauen will (und das nicht auf eingenem Land tut), braucht in der Regel Verbündete in der Verwaltung.
  • Die sind eventuell gar nicht so schwer zu finden, denn auch in der Verwaltung gibt es fachlich versierte und engagierte Leute. Manche Städte haben sogar eigene Ansprechpartner für Bürgerprojekte wie Urban Gardening.
  • Kann trotzdem sein, dass das Stichwort „Urbaner Waldgarten“ noch nicht präsent ist. Gutes Erklären hilft. Vor Ort zeigen (wenn möglich) noch mehr.
  • Verbündete können an verschiedenen Stellen und bei unterschiedlichen Ämtern sitzen. Zum Beispiel bei Umwelt- oder Grünplanung, bei Klimaschutz oder Klimaanpassung, bei Jugend und Soziales, bei Bildung oder Demokratieförderung.
  • Wenn irgendetwas schiefgeht, ist in der öffentlichen Wahrnehmung immer die Verwaltung schuld. Für fast alle Anliegen ist ein freundliches Gespräch deshalb türenöffnender, als mit einem bissigen Presseartikel einzusteigen.
  • Wenn es um sowas wie einen Waldgarten geht – der ja viele Jahre bestehen soll – dann wünscht sich die Verwaltung verbindliche und stabile Kooperationen. Dabei helfen Strukturen, wie ein Verein, der zum Beispiel die nötige Nutzungsvereinbarung für städtische Flächen abschließen kann.
  • Wer keinen Verein gründen möchte, kann sich auch an einen bestehenden lokalen Verein anschließen.
  • In der Verwaltung gibt es viele Beteiligte, Vorschriften und Abstimmungsrunden, gerade in größeren Städten. Das führt dazu, dass Dinge länger dauern und auch die Verbündeten beim Amt vielleicht nicht alles möglich machen können, was sie gern würden. Oder dass ein Thema noch mal von vorn erklärt werden muss, weil die Ansprechperson gewechselt hat. Das kann total nerven. Auf beiden Seiten. Ist aber nicht unbedingt böse gemeint.
  • Verwaltung ist die ausführende Gewalt der Politik. Manchmal geht nichts weiter, wenn die Politik nicht mitzieht. Im Zweifel kann es helfen, beim zuständigen Sachbearbeiter, bei der Amts- oder Teamleiterin nachzufragen, an welcher Stelle politische Lobbyarbeit das Thema voranbringen kann.

Eine geeignete Fläche für den urbanen Waldgarten finden

Im Forschungsprojekt wurden drei Pilotprojekte entwickelt. Dabei sollten richtige Waldgärten entstehen, mit Baum-, Strauch- und essbarer Krautschicht. Zu klein sollten die nicht sein, gesucht wurden hier also Flächen ab 5000 Quadratmeter. Und insgesamt sollten diese Flächen eine Menge Kriterien erfüllen:

  • Gut erreichbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln
  • Kein Naturschutzgebiet
  • Keine Altlasten im Boden
  • Langfristig nutzbar
  • Mit mehrstöckigen Wohnbauten in der Nähe, in denen Menschen keinen eigenen Garten haben
  • Gern in der Nähe von Bildungseinrichtungen
  • Nach Möglichkeit in der Innenstadt, wo Hitzestress oft am größten und Grünflächen am nötigsten sind

In Frage kamen öffentliche Grünflächen, Kleingartenflächen, umgewidmete Friedhöfe, Randbereiche von Sportanlagen, landwirtschaftliche Flächen am Stadtrand, aber auch Außengelände von Kirchen, Wohnungsbaugesellschaften oder Unternehmen. Am schönsten wäre es, eine Fläche in der Innenstadt zu entsiegeln und in einen Waldgarten umzuwandeln. Das ist bisher allerdings nicht gelungen, zu groß ist das Festhalten an Parkplätzen oder anders versiegelten Bereichen.

Viele der aktuell schon existierenden oder geplanten Waldgärten liegen deshalb eher im Randbereich der Städte, im besten Fall gut erreichbar auch aus der Innenstadt. Das Thema ist auf jeden Fall komplex, gute Tipps und Handlungspläne dafür finden sich im Leitfaden „Waldgärten im urbanen Raum“, der auch die amtlichen Überlegungen zu Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, Haftung und Betreibermodellen enthält.

Konflikte zwischen urbanen Waldgärten und Naturschutz

Urbane Waldgärten sind vielfältige strukturierte, dynamische Systeme. Sie enthalten verschiedenen Pflanzen mit langen Blühzeiten, Vogelnährgehölze, Obstbäume und oft auch wilde Ecken. Zwischenergebnisse aus dem Monitoring der Pilotprojekte zeigen einen starken Anstieg der Biodiversität bei Pflanzen, Insekten und Wirbeltieren. Also ein Hauptgewinn für den Naturschutz, oder?

Jein. Ja, so ein urbaner Waldgarten wäre, was die Biodiversität angeht, auf fast allen städtischen Flächen eine Aufwertung. Aber nein, so funktioniert das aktuelle Naturschutzrecht manchmal nicht. Es entstand im Laufe der letzten 150 Jahren, als erst die Produktion und später auch die Landwirtschaft industrialisiert wurde. Als Menschen das Gefühl der Verbundenheit mit Natur und Landschaft verloren, als Wälder und Feldhecken, Moore und Streuobstwiesen der Effizienz und Produktionssteigerung zum Opfer fielen. Das Ziel lautete deshalb: Schützen, was da ist. Und das war schwer genug durchzusetzen. Die Idee, dass sich Standorte auch verändern dürfen, vielleicht sogar sollten, vielleicht sogar zum Positiven, das stand damals nicht im Mittelpunkt.

In der Praxis kann das Probleme aufwerfen. Zum Beispiel dann, wenn eine Kirschlorbeerhecke weichen soll, um einer artenreiche Wildobsthecke Platz zu machen. Denn die Beseitigung der alten Hecke kann unter Umständen genehmigungspflichtig sein. Oder dann, wenn ein geplanter Waldgarten in einem Landschaftsschutzgebiet liegt. Landschaftsschutzgebiet heißt erst mal: Hier soll die Landschaft so bleiben, wie sie ist. Eine Veränderung, selbst wenn es – ökologisch gesehen – eine Aufwertung ist, muss in der Regel von der Unteren Naturschutzbehörde genehmigt werden.

Im Projekt Urbane Waldgärten wird erforscht, wie sich die Biodiversität in einem Waldgarten tatsächlich entwickelt. Diese Daten könnten künftig helfen, um Naturschutzbehörden gute Argumente für Genehmigungen an die Hand zu geben. Und auch hier empfiehlt es sich, das Gespräch zu suchen. Was ist geplant, was wird auf dieser Fläche erreicht werden? Welche Bedenken gibt es und wie lassen diese sich ausräumen? Vielleicht braucht auch das Naturschutzrecht ein Update, aber bis das da ist, sind Kommunikation, Zusammenarbeit und gemeinsame Visionen hoffentlich der Weg.

Passen urbane Waldgärten in Kleingartenanlagen?

Eines der Pilotprojekte wurde als Kleingartenanlage gestaltet – und auch so im Flächennutzungsplan gesichert. Ein interessanter Ansatz! Kleingärten sind bewährte Strukturen, es gibt große Kleingartenflächen in Deutschland und der urbane Waldgarten könnte dafür ein Upgrade sein. Die Anlage in Berlin Britz besteht aus einem großen Gemeinschafts-Waldgarten und kleinen individuellen Parzellen. Im Kleingarten werden ohnehin Obst und Gemüse angebaut, also passt doch hier alles, oder?

Stimmt. Fast. Aus den Erfahrungen des Projektes hieß es, ja, viele Erfahrungen und Regelungen aus dem Kleingartenwesen sind übertragbar und wertvoll. Manche Regelungen passen hingegen nicht zum Waldgarten – und auch dafür brauchte es Ausnahmegenehmigungen. Einige große Waldbäume standen schon vorher auf der Fläche, nach Kleingartenregelungen hätten die gefällt werden sollen. Walnüsse gehören zur Kronenschicht des Waldgartens, sind aber im Kleingarten theoretisch untersagt. Die Feuerwehranfahrt hätte eigentlich asphaltiert werden sollen, dass ist mit dem ökologischen Anspruch des Waldgartens aber nicht vereinbar. Es ließen sich Lösungen finden, die Eichen blieben und auch einige Walnüsse durften einziehen. Selbst die Feuerwehr fand eine andere Lösung. Aber Zeit und dickes Fell waren dafür nötig.

Trotzdem erschien mir das eine geniale Idee. Und bin froh, dass in einem der Pilotprojekte getestet wird, wie Waldgärten und Kleingärten wirklich zusammenpassen. Kleingärten sind heiß begehrt. Aber es gibt auch Anlagen, wo Parzellen durch einen Generationenwechsel freistehen. Könnten dort nicht auch gemeinschaftlich genutzte Waldgärten entstehen? Das könnte ganz leicht sein, die Hälfte der jungen Gehölze würde als Steckling aus nachbarlichen Gärten kommen. Und die Gemeinschafts-Waldgärten könnten über die Jahre und mit gutem Gewissen auch von denen beerntet werden, die keine eigene Parzelle haben, oder deren eigenes Apfelbäumchen noch zu klein ist …

Urbane Waldgärten für die Zukunft?

Werden urbane Waldgärten in ein paar Jahren zu Städten einfach dazu gehören? Ich fände das schön, inspirierend, einen Hoffnungsschimmer. Urbane Waldgärten sind jedoch aufwändiger als beispielsweise ein Tiny Forest. Sie brauchen langfristige Pflege. Aber sie sind auch ganz wunderbare Orte, die in Städten viele verschiedene Aufgaben erfüllen können. Wer darüber nachdenkt, einen urbanen Waldgarten ins Leben zu rufen, hat aktuell auf jeden Fall gute Karten. Das Thema ist neu und „chic“, es gibt sehr gute Fördermöglichkeiten und dank des Forschungsprojektes nun auch schon ganz viel Wissen, Checklisten und Tipps. Also falls ihr darüber nachdenkt: Schaut euch auf jeden Fall beim Forschungsprojekt um, dort gibt es viele Infos, Erfahrungen und Netzwerke.

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