Müssen Sträucher im Naturgarten geschnitten werden?

Für die meisten Gärtner*innen ist Gehölzschnitt vermutlich so etwas wie Rasenmähen. Das muss halt gemacht werden. Aber als Neuling fragte ich mich schon: Ist das wirklich so? Und warum überhaupt? Wo doch die Natur eigentlich nie mit der Gartenschere durch den Wald läuft. Niemand schneidet Holunder, Schlehe und Hagebutten in der freien Wildbahn. Trotzdem wachsen sie Jahr für Jahr, blühen und tragen immer wieder Früchte, oder?

Das Johannisbeerwunder

In unserem kleinen Wildgarten entdeckten wir in den ersten Monaten einen alten Johannisbeerstrauch. Geschätzte fünfzehn Jahre lang war er nicht gepflegt worden, hatte aber im Gestrüpp von Brombeerranken und Brennnesseln überlebt. Er war etwa einen Meter hoch, bestand aus einigen alten Haupttrieben, wirkte soweit gesund und trug im ersten Jahr zwei Blütenrispen, später einige grüne Beeren, die abfielen, bevor sie reifen konnten.

Ich habe diesen Strauch im Spätsommer nach der Anleitung einer Gartenzeitschrift geschnitten, habe also die zwei ältesten Triebe bodennah herausgenommen. Vielleicht etwas ungeschickt, aber so gut ich konnte. Dann habe ich der Pflanze gut zugesprochen und das Gestrüpp drum herum beseitigt. Und mehr nicht.

Als ich ein dreiviertel Jahr später durch den Garten ging, war der Busch übersäht mit Blütenknospen! Ich traute meinen Augen kaum. Daraus wurden später sogar Beeren! Also scheint am Schneiden doch etwas dran zu sein! Aber warum?

Warum werden Sträucher geschnitten?

Das Alter eines Strauches steckt in jedem einzelne Ast. Anders als wir, kann er junge, erwachsene und alte Zweige gleichzeitig tragen. Ohne Schnitt ist ein Strauch nach einigen Jahren „ausgewachsen“. Er hat seine natürliche Größe erreicht und wächst nur noch wenig, der Fruchtertrag an den nun älteren Zweigen lässt nach. In der Natur ist das kein Problem, denn hier sind Sträucher oft Lückenfüller. Sie bereiten den Boden für Bäume vor und werden nach einigen Jahren oder Jahrzehnten von ihnen verdrängt.

Im Garten ist das anders, da will ich möglichst lange von einem Strauch ernten. Indem ich altes Holz regelmäßig wegschneide, sorge ich dafür, dass wieder junges Holz nachwächst. Dadurch bleibt die Pflanze viele Jahre lang „jung“ und produziert länger Blüten und Früchte, als sie das in der Natur tun würde. Und das war es wohl auch, was unseren Johannisbeerstrauch zum Blühen brachte. Die Zweige, mit denen er im Gestrüpp überlebt hatte, waren alt und blühten kaum noch. Nachdem ich mehrere alte Triebe entfernt hatte, haben sich jüngere Äste weiterentwickelt. An deren Seitentrieben habe ich nun die vielen Blütenknospen entdeckt. Das heißt also: Wer viele Früchte und Blüten will, muss auch im Natur- oder Waldgarten regelmäßig zur Schere greifen.

Grüne Johannisbeeren am Strauch
Trägt wieder Früchte: Ein durch Schnitt verjüngter Johannisbeerstrauch

Wie werden Sträucher geschnitten?

Es gibt viel Fachliteratur zum Schneiden und viele Tipps im Internet. Manche Texte sind sehr ermutigend. Andere sehr kompliziert. Als Optimistin halte ich mich an die ermutigenden Beiträge. Die sagen für die allermeisten Sträucher:

  • Besser etwas falsch schneiden als überhaupt nicht.
  • Regelmäßig einzelne alte Zweige rausnehmen, statt an allen Ästen rumschneiden. (Außer natürlich bei Form-Hecken). Der alte Zweig wird entweder bodennah gekappt oder auf einen jüngeren Trieb abgeleitet. Bedeutet: Direkt über einem kräftigen jüngeren Seitentrieb abgeschnitten.
  • Schnittwerkzeug sehr sauber halten und regelmäßig mit Alkohol desinfizieren. Ich muss zugeben, dass ich das noch nie gemacht habe…
  • Große Schnittmaßnahmen auf zwei Jahre verteilen.

Das klingt doch machbar. Und passt zu meinem derzeitigen Lieblingsspruch: Done is better than perfect. Daran werde ich mich erst einmal halten – und mir dann nach und nach die Finessen der einzelnen Schnittarten aneignen.

Wann sollte man Beeren und Sträucher schneiden?

Literatur und Internet sind sich nicht einig. Viele sagen: Beerensträucher sollten im Spätsommer nach der Ernte geschnitten werden, also z.B. Ende August. Andere empfehlen den einem trockenen, frostfreien Tag Ende Februar, bevor die Sträucher auszutreiben beginnen. Und manche schwören auf den Mondkalender. Für Anfänger*innen wie mich ist der blattlose Strauch im Winter auf jeden Fall übersichtlicher, was das Schneiden sehr erleichtert. Und getreu dem letzten Absatz würde ich sagen: ob Sommer oder Winter, Hauptsache machen.

Keine Lust? Diese Gehölze brauchen wenig Schnitt

Kornelkirsche, Felsenbirne, Eberesche, Schlehe, Zierapfel und Wildrose. Diese Gehölze brauchen keinen jährlichen Schnitt, um zu blühen und zu fruchten. Wenn der Standort stimmt, sehen sie fast ohne Aufwand über Jahrzehnte wunderbar aus. Wer Schnittarbeiten möglichst ganz vermeiden will, ist mit ihnen also gut beraten. Außerdem gehören Magnolie, Zaubernuss, Duftschneeball und Strauch-Pfingstrose zu den schnittfreien Schönheiten. Bei der Walnuss finden sich solche und solche Meinungen. Und Großbäume wie Buche, Esskastanie, Ahorn und Linde benötigen ebenfalls keinen Schnitt. Wer dafür im Garten Platz hat, kann sich also entspannt zurücklehnen.

Kann man Bäume oder Sträucher durch Schnitt klein halten?

Die meiste Gartenliteratur sagt nein. Google sagt oft auch ja. Und wenn ich andere Gärten betrachte, dann sehe ich auch viel ja. Ich kenne eine Rotbuche, die sicher mehrere Jahrzehnte alt ist und mit Krone vielleicht auf zehn bis zwölf Meter Höhe kommt. Im Wald würde sie locker 45 Meter schaffen. Offenbar wurde sie in jungem Alter gekappt und ist klein geblieben. Eiben, Hainbuchen und Weißdorn lassen sich als Hecke in fast beliebiger Größe halten. Feldahorn, Weide und Ulme können als Kopfbäume geschnitten werden.

Aber: Eine wunderbare Felsenbirne in unserer Straße hat der jährliche Hausmeisterschnitt fast umgebracht. Und auch Kirschen, Walnüsse und Magnolien vertragen starken Schnitt eher nicht so gut. Auf jeden Fall ist klar: Durch Schnitt klein halten, das macht viel Arbeit! Und die ist vermeidbar, wenn gleich eine passende Größe gewählt wird.

Gehölzschnitt aus Sicherheitsgründen

Neben dem Verjüngungsschnitt gibt es natürlich noch den Schnitt aus Sicherheitsgründen. Der betraf bei uns schon alte Hasel- und Holundersträucher, spielt sonst aber eher bei den Großbäumen eine Rolle. Und das ist ein Thema für einen anderen Artikel …

Wie ergeht es euch mit dem Schneiden? Habt ihr euch auch schon mal gefragt, warum im Garten so viel geschnitten werden soll? Einen Strauch einfach wuchern lassen – oder mächtig geschnitten, der euch dann überrascht hat? Schreibt es mir in die Kommentare, ich bin gespannt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert