Die Natur braucht uns nicht. Sie hat einen eigenen Plan für das Stück Land, auf dem wir gärtnern. Ist das nicht eigentlich beruhigend? Der Garten ist kein Baby, er braucht uns nicht. Er kann völlig unabhängig von uns existieren. Er ist nur ein Angebot. Für eine beglückende Beziehung zu Pflanzen, Natur und Landschaft. Die Natur ist als Co-Gärtnerin allerdings immer dabei. Uns persönlich hat es fasziniert, uns einmal ihre Pläne für unseren Garten anzuschauen. Die wollen wir nicht eins zu eins übernehmen, aber ein paar Kompromisse erleichtern uns auf jeden Fall die Zusammenarbeit.
Wie gärtnert die Natur?
In unserem Garten war das bei der Übernahme ganz gut zu sehen, denn hier hatte die Natur das Zepter übernommen. Und die dirigiert ein unbewirtschaftetes Stück Erde in unseren Breiten (derzeit noch) Richtung Wald.
Was heißt das genau? Freie Flächen wie Beete oder Rasen werden schnell von unterschiedlichen „Unkräutern“ besiedelt. Je nach Boden- und Lichtverhältnissen zum Beispiel von Disteln, Brennnesseln, Löwenzahn, Melde, Storchenschnabel oder Springkraut. Diese Wildkräuter sind so konkurrenzstark, dass sie gepflanzte Gemüse rasch überwuchern. Etwas später siedeln sich Sträucher wie Schlehen, Hagebutten und Brombeeren an. In ihrem Windschutz wachsen dann die ersten Bäume heran. Mit der Zeit bildet sich ein Wald – je nach Baumsorten mit mehr oder weniger Unterholz und Wildkräutern.
So sah unser Garten aus
Bei uns im Garten hatte die von großen Bäumen beschattete Fläche geschätzte 15 Jahre brach gelegen. Das Ergebnis war ein dichtes Gewirr von Brombeeren, Efeu und Brennnesseln, eng durchsetzt von halbwüchsigen Ahornbäumen mit Durchmessern zwischen einem und acht Zentimetern. Dazwischen ein paar Robinien, große Haselsträucher, abgestorbene Thujen, einige Holunderbüsche, ein großer Hartriegel, einige Forsythien, Schneebeeren und Ligusterbüsche. Auf den wenigen freien Erdflecken wuchsen Ruprechtskraut, Springkraut, Farne und Girsch.
Das klingt nach Gärtner-Albtraum. War aber auf der anderen Seite ein Vogel- und Kleintierparadies. Und zeigte auch, welche Kulturen mit der Natur im Einklang wachsen und auch ohne Pflege zurechtkommen: die Sträucher. Auf unserem schattigen Grundstück waren das vor allem Holunder und Hasel. Aber auch Hartriegel, Forsythie, Schneebeere und Liguster waren nach 15 Jahren ohne Gärtner*in noch da. Ebenso wie der Efeu, der den Boden bedeckte, und einige Wildkräuter. Hässlich war eigentlich nur der von Menschen hinterlassene Müll. Und klar, wir hätten uns auch ein paar mehr Blüten, etwas mehr Licht, ein paar essbare Beeren gewünscht…
Von der Natur im Garten lernen
Unser Garten zeigte uns also recht genau, was sich die Natur an diesem Standort vorstellte: Noch mehr große Ahornbäume (einige Riesen beschatten das Gebiet und hatten sich wohl auch mit ihren Samen durchsetzen können). Darunter vielleicht einige Hasel- und Holundersträucher. Und am Boden einige Kräuter und Frühblüher. Wo könnten die Schnittmengen mit unseren Vorstellungen liegen? Und was lernen wir daraus fürs entspannte Gärtnern?
Mit Gehölzen gärtnern spart Kraft und Zeit
Holunder und Hasel machten es vor: Gehölze brauchen nicht viel Pflege. Sofern sie zum Standort passen. In unserem schattigen, waldartig-humusreichen Gelände hatten wir also schon mal zwei essbare Gehölzarten. Das fanden wir nicht genug, aber ein Anfang. Mit der Zeit wollen wir Platz für weitere Gehölzarten schaffen. Gewöhnliche Berberitze, eine Kulturhasel, Hundsrose, Weißdorn, Kornelkirsche und Schlehe stehen auf unserem Wunschzettel. Obwohl ich weiß, dass die Schlehe gern ausufert und eigentlich auch Sonne braucht. Wie es klappt, werden wir berichten.
Frühblüher und Bodendecker sind selbstgenügsam
Im ersten Frühling erlebten wir eine schöne Überraschung. Aus dem braun-grünen Gestrüpp von Efeu und Laub erhob sich eine ganze Wiese von Schneeglöckchen. Auch einige Hasenglöckchen, Narzissen und Bärlauch kamen ganz von allein. Auch diese Gewächse können also, einmal am richtigen Standort gepflanzt, gut ohne gärtnerische Versorgung auskommen.
Gemüse und Rasen brauchen viel Pflege
Vermutlich gab es auch in diesem Garten Gemüsebeete und Rasenflächen, das ließen zumindest die vielen Rasenkantensteine erahnen. Und der Härtetest zeigte: ohne gärtnerische Pflege hatten diese beiden Gartenbereiche überhaupt keine Chance. Ebenso wie mögliche Blumen, die es vielleicht gab, die aber nicht zum Standort passen. Oder denen es einfach zu schattig wurde.
Der Boden will bedeckt sein
Da kennt Co-Gärtnerin Natur kein Pardon: Nackter Boden gefällt ihr einfach nicht. Nicht im Gemüsebeet, nicht zwischen den Stauden, nicht unter den Obstbäumen, überhaupt nicht. Kompromisse sind da nicht immer so leicht. Denn als Gärtnerin möchte ich meinem Obstbäumchen eine freie Baumscheibe gönnen, damit es sich gut entwickelt. Und ich will Gemüsen und Stauden genug Platz lassen, damit sie mit wenig Konkurrenz prächtig heranwachsen. Aber es ist klar: je mehr nackten Boden ich haben will, desto mehr Arbeit kommt auf mich zu. Zum Glück gibt es schwachzehrende Pflanzen, die auch der Obstbaum im Wurzelbereich toleriert. Und zum Glück gibt sich die Natur auch mit Mulch als Bodendecke zufrieden.
Der Natur auf die Finger schauen
In jedem Garten zeigt die Natur uns auch ihren eigenen Plan. Und zwar besonders an den Stellen, wo wir denken: Ich müsste mal dringend noch…
Der Giersch, der im Staudenbeet wuchert zeigt: hier ist Boden frei. Oder: was hier wächst, ist schwächer als ich. Die Brombeere, die sich über den Weg ausbreiten will sagt: hier ist Platz und Licht, die nicht genutzt werden. Das Moos, das an schattigen Stellen den Rasen durchsetzt macht deutlich: hier ist es den Gräsern zu schattig, ich helfe ihnen, den Boden zu bedecken. Und wo im Staudenbeet oder zwischen den Sträuchern plötzlich ein kleiner Ahorn, eine Eiche, Esche oder Hainbuche emporstrebt, da werden wir freundlich daran erinnert, dass unsere Co-Gärtnerin einen Wald ganz schön fände. Vielleicht können wir ihr den einen oder anderen Obst- oder Nussbaum zugestehen?
Wir nahmen uns also ganz fest vor, unsere eigenen Pläne mit denen der Natur zusammenzudenken. Auch wenn das heißt: Kein Lavendel, kein Basilikum, kein Feigenbaum. Mit Kartoffelrosen und Beeren wollten wir es trotzdem versuchen.
Klappt es?
Inzwischen sind wir seit dreieinhalb Jahren auf dem Grundstück. Anfangs war an Gärtnern nicht zu denken. Aber inzwischen ist der meiste Müll entsorgt, einige Bereiche sind frei geschnitten und langsam können wir auch Sachen pflanzen. Wie klappt es mit der Co-Existenz? Natürlich durchwachsen. Aber auch nicht ganz schlecht. Das zusätzliche Licht hat allen Brombeeren einen Wachstumsschub verpasst. Wo wir andere Beeren wollen, müssen wir regelmäßig eingreifen. Neue Gehölze brauchen mindestens ein Jahr, um sich hier zu behaupten, manches überlebt, manches nicht. Ein Stück Kräuterrasen wollten wir uns gönnen, und wie erwartet, machte das viel mehr Arbeit, als ein Schneeglöcklichen-Efeu-Dickicht. Das Wichtigste aber versuchen wir nicht zu vergessen: Der Garten braucht uns nicht. Und wenn wir hier gar nichts machen, dann wuchert eben das Springkraut. Macht ja nichts, die Insekten freuen sich.
Danke für den interessanten Beitrag. Ich würde hier noch einfliessen lassen, wie man Springkraut, Giersch, Bärlauch, Brennesseln, Topinambur, Löwenzahl, Vogelmiere etc. als Nutzpflanzen (Heilkräuter) oder als Hühnerfutter für die Teilselbstversorgung nützen kann. Mein Waldgarten ist in 15 Jahren entstanden! Wirklich eindrücklich, was die Natur hervorbringt, wenn man sie machen lässt. Sogar essbare Pilze wachsen inzwischen unter den Apfelbäumen. Ich freue mich besonders, dass das Springkraut von Ihnen nicht verteufelt wird. Aus den Blüten kann man feinen Tee machen und Hühner und Vögel lieben die Samen. Und ja, die Blüten sehen schön aus, den Insekten liefern sie etwa 3 Monate lang Nahrung.
Danke für den Hinweis, das mit dem Springkraut-Blütentee wusste ich nicht, das werden wir gleich mal ausprobieren! Ich mag die Pflanze sowieso gern, den ganzen Sommer brummen hier die Insekten und das Samen-Springen-Lassen ist mir immer ein fröhliches Kindheitsgefühl.