Wird bloggen jetzt schneller, leichter, besser, dank Chatbots und KI-Tools? Oder schreiben wir weiter im Schneckentempo? Der Hype um ChatGPT und andere generative KI läuft seit ein paar Monaten. Längst beginnen Unternehmen und PR-Verantwortliche damit, Produktbeschreibungen, Meta-Texte und Blog-Artikel durch ChatGPT oder andere künstliche Intelligenzen verfassen oder überarbeiten zu lassen. Was also ist dran, erleichtert KI das Bloggen? Das habe ich hier ausprobiert.
Themenfindung per Prompt
Ich ignoriere die Liste an Themen, über die ich selbst noch schreiben möchte und bitte ChatGPT 4 um einen Content-Plan bis Dezember. Für einen Gartenblog zu den Themen Waldgarten, Klimawandel, naturnah Gärtnern und Lazy Gardening, mit zwei Artikeln pro Monat. Das schaffe ich zwar selten, aber davon verspreche ich mir etwas Auswahl.
Content-Planung mit KI
ChatGPT antwortet in wenigen Sekunden. Also schneller als die Weinbergschnecke oben ist das Tool allemal.
„Natürlich, ich kann das gerne für dich tun. Hier ist ein beispielhafter Content-Plan für einen Gartenblog, der zweimal im Monat aktualisiert wird und die genannten Themen abdeckt.
- Die Prinzipien des Waldgartens: Wie man einen Waldgarten für Anfänger anlegt
- Schattenverträgliche Pflanzen: Eine Liste meiner Top 10 Pflanzen für den Schatten
- Lazy Gardening: Was es ist und warum es gut für Sie und den Planeten ist
- Anpassungsfähige Pflanzen für den Klimawandel: Welche Arten in meinem Garten gedeihen
- Rückblick auf das Gartenjahr: Was ich aus meinem Waldgarten gelernt habe“
Wow. Dafür, dass das Ding nur mit Wahrscheinlichkeiten agiert – also welches Wort folgt meistens auf welches Wort in welchem Kontext – ist das nicht schlecht. Die Themen sind relativ allgemein, man findet sie schon auf zig anderen Blogs, aber trotzdem: sechs Monate, je zwei Vorschläge, jahreszeitliche Bezüge, ein vernünftiger Wechsel von allgemeinen Inhalten und persönlichen Berichten. Ich bin erst mal beeindruckt.
Dann gucke ich genauer. Nun ja. Nicht alles hat Hand und Fuß und jeden zweiten Vorschlag müsste ich aussortieren. „Waldgarten im Herbst, was jetzt in meinem Garten passiert“. Will das wirklich jemand lesen? Und ist Lazy Gardening besser für den Planeten oder doch eher für mich? Aber GPT versteht eben nicht, was Lazy Gardening bedeutet. Es weiß nur: im Zusammenhang mit Klimawandel und naturnahem Gärtnern ist „warum es gut ist für den Planeten“ eine geläufige Phrase. Also Zwischenfazit: Wem Themenfindung schwerfällt, der kann ChatGPT für ein Brainstorming nutzen. Die Ergebnisse sind allerdings eher allgemein und nicht unbedingt einzigartig.
Blogartikel schneller schreiben mit ChatGPT?
Ich versuche es mit dem Artikel „Die Prinzipien des Waldgartens: Wie man einen Waldgarten für Anfänger anlegt“. Das scheint mir nah an meinem eigenen Artikel „Was ist ein Waldgarten“, mal sehen, was die KI daraus macht. Der erste Versuch gibt einen kumpelhaften Text mit wenigen Informationen und viel Tamtam.
„Du bist gelandet im Reich des Waldgartens, einem Ort, der der natürlichen Harmonie von Mutter Natur huldigt.“
Puh. Ich bitte um eine weniger blumige Überarbeitung. Das klappt. Die Inhalte sind immer noch oberflächig, bisschen langweilig, der Stil eher gleichförmig. Aber: In der Flut mittelmäßig geschriebener Beiträge im Netz würde dieser Artikel nicht auffallen. Ich schaue noch dreimal hin. Und erst dann stelle ich fest: Eigentlich war das Thema schon falsch. Die Prinzipien des Waldgartens – das könnte ein eigener ausführlicher Beitrag sein. Und wie ein Waldgarten angelegt wird, das wäre vielleicht der zweite. Und was soll „Anfänger“ in diesem Kontext genau bedeuten? Alles zusammen in 400 Wörtern, das konnte nur vage werden. Und das ist auch mir zunächst nicht aufgefallen, weil eben alles so schlüssig klingt.
Kann GPT auch interessanten Garten-Content?
Irgendwie will ich mich nicht zufriedengeben. Vielleicht habe ich zu konservativ gepromptet? Ich versuche es noch einmal. Andere Rahmeninformationen, ich imaginiere eine Waldgarten-Kolumne in einer Punk-Zeitschrift. Definiere Zielgruppen und Themen. Mal gucken, was kommt.
- „Schneechaos und Wildkräuter: Überwinternde Pflanzen für den rebellischen Gärtner
- No-Dig Gardening: Die Revolte gegen die Gartenkralle
- Frühjahrsanarchie: So kickstartest du deinen Waldgarten
- Permakultur: Punkrock für den Boden
- Klimawandel-Kickoff: Bereite deinen Garten auf die Apokalypse vor“.
Das bringt mich auf jeden Fall zum Lachen. Die Themen sind eigentlich ähnlich, aber die Überschriften sehr viel peppiger. Und warum Permakultur die punkigste Art ist, zu Gärtner, das würde mich schon interessieren …
Blogartikel mit Pfiff dank ChatGPT?
Ich entscheide mich erst mal für „Frühjahrsanarchie: So kickstartest du deinen Waldgarten“, gebe noch ein paar zusätzliche Hinweise und lasse GPT schreiben.
„Hey da draußen, ihr grünen Revoluzzer
Bevor wir uns ins Anarchiegetümmel werfen, ein kurzer Crashkurs: Ein Waldgarten ist eine rebellische Antwort auf die herkömmliche Gartenkultur. Weg von der Rasenmonokultur, hin zu mehreren Ebenen voller essbarer und nützlicher Pflanzen.“
Auf jeden Fall witzig, sehr viel weniger langweilig! Auch wenn die Häufung von „rebellisch“ und „Anarchie“ nervt und so in keiner vernünftigen Kolumne durchgehen würde. In diesem Text gibt es auch mehrere sprachliche Fehler, die teilweise nach verunglückten Anglizismen klingen. „Mach Freunde mit Vielfalt“ und „Gib der Natur freien Lauf“… Fehlt ChatGPT der Input aus deutschsprachiger Punk-Kultur? Trotzdem, Chapeau, daraus ließe sich immerhin etwas machen.
Wird Bloggen jetzt leichter, mit künstlicher Intelligenz?
Wer als Allrounder in einem kleinen Unternehmen oder einer Verwaltung Events organisiert, Kulturprogramme entwickelt, GEMA-Meldungen macht und über das alles nebenbei auch noch Blogtexte schreiben soll, der kann von ChatGPT sicher profitieren. Der nötige mittelmäßige Text kommt auf Knopfdruck und lässt sich nach kurzem Korrekturlesen vermutlich in einer Stunde fertigstellen. Und dann ebenso schnell in eine Pressemitteilung und einen Insta-Post verwandeln.
Aber ist das nützlich für Blogs wie diesen? Für Blogs, die unterhalten oder informieren sollen oder beides, die Raum für politische Bewegungen oder Nachdenken sind oder einfach eine Erfahrung mit anderen teilen? Nun ja. Ich habe einen halben Tag mit ChatGPT „gesprochen“. Am Ende hatte ich einen langweiligen und einen witzigen Blogartikel, beide zu kurz, zu oberflächlich und nicht direkt verwendbar. Ich selbst aber war kaputt und ausgelaugt. Wenn ich selbst schreibe, bin ich gechillt oder inspiriert, vielleicht auch müde, aber froh. Also toll, dass KI jetzt auch kreativ kann. Aber wollen wir genau diese Arbeit wirklich abgeben? Oder schreibe ich lieber weiter selbst, wenn auch im Schneckentempo?
Werden Blogs besser oder sterben sie aus?
ChatGPT hält uns den Spiegel vor. Denn schon heute sind viele Texte im Internet von mittlerer bis gruseliger Qualität. Was wird passieren, wenn dieser mittelmäßige Content weiter zunimmt, weil er in Sekunden generierbar wird? Werden sich Artikel mit echtem Inhalt irgendwann durchsetzen? Werden Suchmaschinen es doch noch schaffen, Geschwafel von Mehrwert zu unterscheiden? Wird Snail-Writing ein neues Qualitätsmerkmal? Oder ein Kennzeichnen für hoffnungslos altmodische Journalist*innen? Wird Menschen überhaupt auffallen, dass ein Text zwar grammatisch richtig ist, sie aber hinterher nicht schlauer sind als vorher? Wir werden es sehen. Gärtnern jedenfalls, das funktioniert immer noch ziemlich gut als Handarbeit. Also geh ich jetzt erst mal ein bisschen was gießen.
(Und nein, diesen Text hier, den hat ChatGPT nicht geschrieben. Denn bisher zumindest ist es mir noch nicht gelungen, einen Text mit einem interessanten roten Faden zu prompten. Aber ich bleibe dran und berichte …)