Konkrete Ideen? Gibt es heute und hier. Egal, ob ihr gärtnert oder nicht…
Die aktuelle Nachrichtenlage kann gerade wirklich dazu verleiten, den Kopf in den Sand oder unters Kissen zu stecken, und den Blick über den Gartenzaun ab heute zu unterlassen. Das habe ich seit der Europawahl im Mai versucht und muss sagen: Es reicht leider nicht.
Ich mache ich mir ja gern vor, dass Menschen, die gärtnern, menschenfreundlich und demokratisch seien, gegen Umweltzerstörung und für ein gutes Leben für alle. Leider nein. Im Juni, bei der Europawahl, wählten in Deutschland 16 Prozent die AfD. 16 Prozent. Das ist etwa jede*r Sechste. Wie viele von denen, die jeden Monat das gleiche Gartenheft in der Hand halten, wie ich, haben ihr Kreuz bei den rechtsextremen Parteien gemacht?
Gärtnern gegen die Ohnmacht?
Nach der Wahl ertappte mich dabei, wie ich jede freie Stunde im Garten verbrachte. Eigentlich ertappte ich mich nicht. Erst nach ein paar Tagen fiel mir auf, dass ich jeden Abend mit Muskelkater ins Bett ging. „Selbstwirksamkeit“, sagte ich wie im Scherz zu meinem Gartennachbarn, als ich mich mit der Kettensäge über einige dicke Baumstämme hermachte. An diesem Abend fiel es mir auf. Dass ich die Säge schwang und den Spaten und die großen Projekte anging, um die Ohnmacht und die Hilflosigkeit nicht zu spüren. Aber kann ich mir überhaupt noch leisten, Zeit im Garten zu verbringen? Darf man noch Zeit für Hobbys haben? Und was könnte ich stattdessen tun? Was können Gärtnerinnen und Gärtner, was können wir alle tun?
Ich staune, wie schwer es mir fällt, das Thema mit Freund*innen anzusprechen. Aber wenn ich es schaffe, dann geht es vielen wie mir. Ungläubig und ratlos schauen wir auf die Nachrichten. Von Trump bis Milei, von Kickl bis Höcke, wohin steuert diese Welt?
Dann hörte ich ein Stück Podcast vor ein paar Tagen. Und da sagte ein Journalist, viele Bürger*innen steckten mehr Arbeit in die Vorbereitung einer Mieterversammlung, als in eine Bundestagswahl. Oha. Ich fühle mich ertappt. Auch ich stecke bisher deutlich mehr Zeit in die Planung der nächsten Gartensaison – als in die nächste Wahl. Obwohl die für mein Leben und das meiner Kinder viel stärkere Auswirkungen hat. Das kann so nicht bleiben, ran an den Spaten und losgelegt! Ich beginne zu recherchieren, mit mehr Menschen zu sprechen und hier kommt meine persönliche Liste.
Was tun gegen rechts? Was geht noch vor dieser Bundestagswahl?
1. Reden gegen rechts: Mit Freund*innen und Bekannten mehr über Politik sprechen
Für manche leicht, für viele schwer. Irgendwie schickt sich das nicht. Aber können wir uns das noch leisten? Hier mal ein paar Ideen: Auf „Wie geht es dir?“ mal etwas ehrlicher antworten: „Ich mache mir Sorgen über den Rechtsruck und die Bundestagswahl. Wie geht es dir denn damit?“ oder „Ich grüble über die Bundestagswahl. Und ich weiß nicht, ob ich am 23. nach Überzeugung oder strategisch wählen soll. Wie gehst du damit um?“ Das ist in vielen Runden nicht üblich, aber meine Erfahrung war bisher: fast alle waren erleichtert, es ging ihnen genauso, sie waren froh, sich darüber auszutauschen. Schritt zwei dann: konkret auch über Parteien reden. Puh, noch schwerer. Aber ich bin mir sicher: Fast jede*r kennt jemanden, der oder die überlegt die AfD zu wählen. Oder eine CDU, die nun doch mit ihr zusammenarbeitet. Oder eine Kleinpartei, deren Stimme verloren geht. Darüber reden kann einen Unterschied machen.
2. Lesen gegen rechts: Sich informieren gegen rechte Parolen
Ihr denkt, das braucht ihr nicht, eurer Bekanntenkreis wählt eh nicht rechts? Stimmt vielleicht. Aber vielleicht sitzt ihr morgen im Zug und neben euch referiert jemand laut über Abschiebung als Sicherheitsthema. Dann ist es gut, ein paar Fakten und Strategien parat zu haben. Finden könnt ihr die auf verschiedenen Seiten. Übersichtlich und klar fand ich zum Beispiel die Broschüre über rechte Mythen von Volksverpetzer.
3. Vorbild sein gegen rechts: Über die eigene Wahlentscheidung nachdenken
Das klingt selbstverständlich, aber macht ihr das? Mit der gleichen Sorgfalt, wie den neuen Pflanzplan? Ich gebe selbst zu, dass ich bei einigen Wahlen am Vorabend noch mal schnell den Wahl-o-mat geklickt und dann „wie immer“ gewählt habe. Ist ja auch o.k., aber hey: Es gibt inzwischen sogar noch viele „Alternativen zum Wahl-o-mat“. Die Suchmaschine spuckt eine ganze Liste von Tools aus, keins unfehlbar, aber durchaus interessant oder sogar spaßig. KI-Tools wie wahl.chat zeigen zusätzlich auch das Abstimmungsverhalten der Parteien in den letzten Jahren und die Wahlprogramme kann ich natürlich auch durchlesen.
4. Netzwerken gegen rechts: Familiengruppen, Vereine und andere Netzwerke nutzen
Nicht, um den Leuten vorzuschreiben, was sie wählen sollen. Aber ein Gespräch, eine Postkarte, eine Erinnerung an den Wahlsonntag kurz vorher – mit einem Link zu einer Infoplattform – das können wir einander schon zumuten, oder?
5. Mitmachen gegen rechts: Demokratische Initiativen vor Ort unterstützen
Initiativen gegen rechts oder für mehr Demokratie, Omas gegen rechts, Aufstehen gegen Rassismus, Klimainitiativen oder lokale Parteigruppen – fast überall gibt es schon Menschen, die sich politisch engagieren. Die meisten haben eine Website, eine Mailadresse oder einen Stammtisch. Hingehen, kennenlernen, mitmachen! Gemeinsam Nachdenken, Flyer verteilen, Demos und Infostände organisieren und und und …
6. Basisarbeit gegen rechts: Aufklärungsmaterialien verteilen
Zum Beispiel 50 Flyer in Briefkästen in einem Viertel deiner Wahl. Print ist altmodisch, aber es erreicht Leute jenseits ihrer Social-Media-blasen. Verschiedene Initiativen haben Flyer mit Informationen über die AfD, zum Bestellen oder Ausdrucken. Diese hier finde ich zum Beispiel ganz gut: Sticker gegen rechts, Broschüre für Angestellte, Infoflyer, Flyer teils zum Selbstausdrucken – und sicher gibt es noch mehr. Da kann man nachlesen, wie die selbsternannte „Partei der kleinen Leute“ vor allem reiche Menschen entlasten, soziale Sicherungssysteme abbauen und das Gesundheitssystem ausbluten will. Das sollten mehr Leute wissen.
7. Social Media gegen rechts
Insta, Facebook, TikTok. Selber posten oder Posts von anderen weiterleiten, liken, kommentieren. Es gibt viele gute Aktionen oder Infos, die sich lohnen in die Welt zu bringen. Vielleicht mit Zeitbegrenzung pro Tag, damit aus Aktivismus nicht Doomscrolling wird …
8. Laut werden gegen rechts: Wahlkampfstände der AfD stören
Geht nicht allein, aber schon mit wenigen. Im Netz und auf Social Media findet ihr viele Ideen für Aktionen gegen rechts. Und ja, die Meinungsfreiheit gilt auch für Nazis (auch wenn sie selbst die abschaffen wollen). Aber Meinungsfreiheit bedeutet eben gerade nicht, dass alle anderen still sein und zuhören müssen.
9. Demonstrieren gegen rechts
Ich frage mich manchmal: bringt das wirklich was? Aber nach den großen Demos im letzten Jahr sind die Zustimmungswerte für die AfD gesunken. Menschen haben sich vernetzt, sind aktiv geworden. Und auf jeden Fall bedeuten große Demos eine Rückversicherung für engagierte Politiker*innen und für alle, denen es in Deutschland gerade Angst und bange wird.
10. Sich zusammenschließen gegen rechts
Es gibt viele Menschen, denen es gerade geht wie mir. Also los: Lieblingsmenschen zu einem gemütlichen Abend einladen und loslegen. Gemeinsam brainstormen und direkt aktiv werden. Eine Streetart, ein Plakat, ein Social-Media-Post? Ein Plakat, ein Anruf, eine Postkarte oder ein freundlicher Kettenbrief an die Geschwister? Ich bin mir sicher: euch fällt etwas ein. Wenn jede und jeder nur eine Person überzeugen kann, ein demokratisches Kreuz zu setzen, dann hat das eine große Wirkung.
Lohnt sich das noch, jetzt, so kurz vor der Wahl? Ich glaube schon. Gerade unentschlossene Wähler*innen entscheiden sich oft erst kurz vorher, ob und wen sie wählen. Auch die, die nicht wissen, ob sie überhaupt wählen werden. Aber klar, viel Zeit ist nicht mehr. Also: Gleich Telefon zücken, Termin vorschlagen, Freund*innen anschreiben!
Warum jetzt gegen rechts aktiv werden?
Die AfD sitzt inzwischen mit in demokratischen Gremien und erscheint zunehmend wie eine normale Partei. Und immer wieder schafft sie es, Diskurse über Gewalt oder Wirtschaftskrisen so an sich zu reißen, dass sie selbst als einzige Lösung und als normale Partei erscheint. Deshalb hier noch mal kurz und knapp, für alle denen die Worte fehlen:
- Die AfD will sehr Reiche noch reicher und Arme noch ärmer machen und so für mehr sozialen Sprengstoff sorgen.
- Sie will Arbeitsschutz, Mindestlohn und soziale Sicherheit abbauen.
- Sie will Deutschlands Wirtschaft schwächen und unzählige Jobs gefährden, durch Anti-EU-Politik und Abschreckung ausländischer Fachkräfte.
- Die AfD will das Gesundheitssystem an den Rand des Kollaps bringen – durch Ausweisung (oder vorsorgliche Auswanderung) von unzähligen Ärzt*innen und Pflegekräften (Jede*r vierte Ärzt*in in Deutschland hat eine Migrationsgeschichte.)
- Sie will Frauenrechte einschränken, über 20 Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte abschieben, LGBTIQ*-Rechte einschränken und Menschen mit Behinderungen noch stärker diskriminieren.
- Sie will die Energiewende zurückdrehen und den Klimawandel weiter anheizen. Auch eine Form den Kopf in den Sand zu stecken, aber leider lebensgefährlich.
- Mehr Fakten, Argumente und Quellen z.B. bei afdnee.de.
Und was kann ich langfristig gegen den Rechtsruck und für die Demokratie tun?
Nach der Wahl ist vor der Wahl. Das stimmt. Aber die langfristige Liste, die schreib ich nach dem 23. Februar. Jetzt erst mal: Nicht gemütlich weiterlesen, sondern gleich verabreden und loslegen. Danke!